Byung-Chul Han: Infokratie. Digitalisierung und die Krise der Demokratie. Matthes & Seitz: Berlin. 2021, S. 31
Buchstaben, Wörter, Worte – In diesem Augenblick befinden Sie sich inmitten eines aktiven Prozesses der Registrierung und Dekodierung von Informationen, wobei jeder alphabetische Mischmasch von Ihrer linken Gehirnhälfte mit kuratiertem Geschick kontextualisiert und interpretiert wird. Der gesunde Menschenverstand definiert Information (genau das, was Sie gerade entschlüsseln) als die „mündliche oder schriftliche Mitteilung, die jmdn. über etw. in Kenntnis setzt“. Ein Buch über Bogenschießen könnte zum Beispiel den Satz „Ein Pfeil ist typischerweise aus Holz gemacht.“ enthalten, und nur ein vernünftiger Mensch, der die Wörter „Pfeil“, „Holz“, „gemacht“ versteht, würde auf die Bedeutung hinter dieser Aussage zugreifen können. Der Leser würde dann wissen, dass Pfeile aus Holz bestehen. Somit ebnet eine logische und kontextuell zentrale Schlussfolgerung den Weg dieses einleitenden Absatzes, nämlich dass Information nicht gleich Wissen ist. Denn das Erstere ist einfach ein Bündel organisierter Daten, und das Letztere weist auf dessen Wahrnehmung, Interpretation und Kontextualisierung hin. Was wenn, sagen wir, das Buch 300 Jahre alt ist und die Mehrheit der spezialisierten Hersteller mittlerweile Carbon als Primärmaterial für die Massenproduktion von Pfeilen verwendet? Wäre die ursprüngliche Aussage dann überhaupt wahr?
Und, ebenso relevant, wieso haben wir überhaupt von Holz auf Carbon umgestellt?
Michael Foucault, ein postmodernistischer französischer Philosoph und sozialer Aktivist, bezeichnete Wahrheit als ein Konzept „dieser Welt“, das nur aufgrund diverser Formen von Einschränkungen hervorgebracht wird. Er stellte die zugegebenermaßen umstrittene Theorie auf, dass das Konzept der universellen Wahrheit lediglich eine Bedingung ist, die von einer neutralen und zerstreuenden Machtkraft geschaffen wird und daher nicht außerhalb von Machthabern existieren kann. Wahrheit ist laut Foucault „in einer zirkulären Beziehung mit Machtsystemen verbunden, die sie hervorbringen und aufrechterhalten, und mit Machtwirkungen, die sie induziert und die sie erweitern“, eine Vorstellung, die er mit dem Ausdruck „régime de verité“ ausdrückt. Direkter gesagt: „[Wahrheit] wird produziert und übermittelt unter der dominanten, wenn nicht ausschließlichen Kontrolle einiger weniger großer politischer und wirtschaftlicher Apparate“. Kurz: Macht diktiert Wahrheit. Sie bestimmt, wie und welche Informationen kommuniziert und wahrgenommen werden und letztendlich, welches Wissen als souverän regiert. Um es mit dem vorherigen Pfeildilemma zu vergleichen: Macht ist die Entität, die das eigentliche Mark des Pfeils webt, die Wahrheit, die sich in Phänomene verwandelnde Noumena. Die Korrelation würde dann andeuten, dass der Bogen, neutral und immer darauf wartend, benutzt zu werden, um irgendeine Wirkung auszuüben, der Entität der Information entspricht. Wissen, wie wir es wahrnehmen und besitzen, würde letztlich den Pfeil selbst veranschaulichen, die Summe aus Schaft und Spitze. Den Mörder.
Stellen Sie sich einen Pfeil vor. Stellen Sie sich ebenso einen Bogen vor. Wer ist nun der Bogenschütze? Und wer ist die Beute?
Um eine kurze Antwort zu geben: Der Umstieg von Holz auf Carbon wurde durch das Ereignis der Industrialisierung ermöglicht. Ausgehend von ihrer Genese im späten 18. Jahrhundert hat die allmähliche Metamorphose von landwirtschaftlichen zu industriellen Wirtschaftsstrukturen erfolgreich den Weg zu unseren modernen Politikmodellen und schließlich zu den Machtregulationssystemen der modernen Gesellschaft geebnet. Das vorherrschende System in diesem Sinne ist der allbekannte Neoliberalismus. Diese Ideologie, die wirtschaftliches Wachstum durch Wettbewerb und Kapitalisierung anstrebt, hat nicht nur den globalen Markt, sondern auch den Einzelnen, das Individuum, erfolgreich infiltriert, indem sie sich an einen ihrer ultimativen Beherrscher gewendet hat - die menschliche Psyche. Eines der einflussreichsten Ergebnisse des Neoliberalismus ist das äußerst dystopische Phänomen des World Wide Web, auch als Internet bezeichnet, und seine ebenso einflussreiche innere Membran, die sozialen Medien. Instagram, Facebook, Twitter – dies sind alle „sozialen“ Plattformen, die es der Menschheit ermöglicht haben, auf eine Unmenge von Informationen zuzugreifen und diese untereinander auszutauschen; doch es ist ihnen nicht gelungen, ein Ökosystem zu schaffen, in dem diese Informationen in Wissen umgewandelt werden können. Denn Information ist nicht gleich Wissen, sondern kann sich nur im Milieu einer rationalen Psyche, die einen Prozess logischer Interpretation durchläuft, in Wissen verwandeln. Das Internet manipuliert aber die menschliche Psyche, indem es ihr unendlich viele Informationen liefert, den Konsum dieser mit übertriebenen Reizen belohnt und gleichzeitig den Schritt der Assimilation auslässt, der sonst zu organischem Wissen führen würde. Internetnutzer erhalten Likes, retweeten lustige Memes, flirten mit Fremden auf Dating-Apps, konsumieren sekundenlange Inhalte, bauen parasoziale Beziehungen mit Fremden auf YouTube auf und streiten sich dann mit denselben Fremden auf Twitter. Internetnutzersüchtige googeln das Wetter, bleiben aber den ganzen Tag im Bett, sie photoshoppen ihre Bilder, bekommen aber eine Panikattacke, wenn sie die Bild posten wollen, sie diskutieren stundenlang auf Reddit-Foren über die Rolle von Ketchup, nur um dann am nächsten Tag zur Arbeit zu gehen und wegen sozialer Angststörungen kein einziges Wort zu sagen. Internetnutzersüchtigebeute wird innerhalb weniger Minuten wütend, gelangweilt, angewidert, betört, begeistert und depressiv, weil das Internet, laut seiner neoliberalen Natur, die menschliche Psyche kapitalisiert, indem es sie manipuliert, indem es ihr kurzfristige Befriedigung und die bloße Halluzination von Wissen zuführt.
Man kommt also zu dem Schluss, dass die Wahrheit von der Macht diktiert wird, und wenn die Macht sich auszudehnen sucht, geht sie zur Beschränkung über, indem sie die Illusion der unbegrenzten Wahrheit liefert. Es wird kein Widerstand installiert, es wird eine Art Echokammer gebaut, mit Tausenden von metaphorisch formbaren Spiegeln, damit sich der Narzissmus in jedem Individuum ausdehnen und fortpflanzen kann. Dass Pfeile aus Holz sind, kann man auf der einen Seite des digitalen Sumpfes ausführlich beweisen. Nur einen Klick entfernt kann man sich sicher davon überzeugen, dass Pfeile aus Carbon sind. Die daraus entstehende Debatte zwischen Individuen unterschiedlicher Perspektiven eskaliert in beängstigendem Tempo, denn die so wertvollen Echokammern drohen zerstört zu werden. Dies sind keine Spekulationen, sondern Beobachtungen der aktuellen Realität. Der rationale Diskurs wird somit durch die Inflation von Informationen und Affekterregung beeinträchtigt - eine Inflation, die proportional zu einer Deflation der zugeschriebenen Absorption ist. Mit anderen Worten, die exponentielle Verbreitung von Informationen und ihre mangelnde Regulierung haben umgekehrt eine stagnierende Fähigkeit zur Assimilation erzeugt.
"Der beste Weg, einen Gefangenen an der Flucht zu hindern, ist, dafür zu sorgen, dass er nie erfährt, dass er im Gefängnis ist."– F. Dostojewski
Schlussendlich übt das System Macht aus, indem es eine Nebenwährung schmiedet – unsere Aufmerksamkeit, die neue Krypto. Der Trost der „Illusion von Information“ wird gegen Daten, Identität und Zukunft eingetauscht. Denn - wenn man nichts zahlen muss, wird der Konsument zur Ware und nicht, wie er annehmen könnte, zum Warenhändler. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Konsument mit dem Individuum gleichzusetzen ist – das Individuum kann lediglich während des Konsumvorgangs die Rolle des Konsumenten übernehmen. Ebenso muss das Individuum die Verantwortung für diese Übernahme tragen, denn es besitzt Rationalität. Rationalität erweist sich als Bindeglied zwischen Wahrheit, Information und Wissen; es wird zum Schutzschild für die Person, die sich für den Konsum entscheidet oder sich in der allgegenwärtigen digitalen bzw. neoliberalen Welt entwaffnet wiederfindet. Rationalität ist daher für den Erhalt der Autonomie unerlässlich, kann jedoch nur im erforderlichen Prozess der Assimilation umgesetzt werden. Es muss also ein Ökosystem zeitlicher Natur geschaffen werden, in dem das Individuum seine momentane „Rolle“ als Konsument Süchtige Beute ablegen und die konsumierten Informationen verarbeiten kann. Man muss sich die Gnade erlauben, sich Zeit zu nehmen, zu hinterfragen, zu vergleichen, das Konsumierte ins Gleichgewicht zu bringen und logische Kongruenz darin zu finden. In diesem Sinne ist Rationalität gleichbedeutend mit Rebellion, mit der Herausforderung von Machtsystemen, mit der Herausforderung der Illusion von Wahrheit.
Man muss also rebellieren.
Man muss den verdammten Pfeil nehmen und ihn zerbrechen, um Himmels willen.
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Buchstaben, Wörter, Worte – In diesem Augenblick befinden Sie sich inmitten eines aktiven Prozesses der Registrierung und Dekodierung von Informationen, wobei jeder alphabetische Mischmasch von Ihrer linken Gehirnhälfte mit kuratiertem Geschick kontextualisiert und interpretiert wird. Der gesunde Menschenverstand definiert Information (genau das, was Sie gerade entschlüsseln) als die „mündliche oder schriftliche Mitteilung, die jmdn. über etw. in Kenntnis setzt“. Ein Buch über Bogenschießen könnte zum Beispiel den Satz „Ein Pfeil ist typischerweise aus Holz gemacht.“ enthalten, und nur ein vernünftiger Mensch, der die Wörter „Pfeil“, „Holz“, „gemacht“ versteht, würde auf die Bedeutung hinter dieser Aussage zugreifen können. Der Leser würde dann wissen, dass Pfeile aus Holz bestehen. Somit ebnet eine logische und kontextuell zentrale Schlussfolgerung den Weg dieses einleitenden Absatzes, nämlich dass Information nicht gleich Wissen ist. Denn das Erstere ist einfach ein Bündel organisierter Daten, und das Letztere weist auf dessen Wahrnehmung, Interpretation und Kontextualisierung hin. Was wenn, sagen wir, das Buch 300 Jahre alt ist und die Mehrheit der spezialisierten Hersteller mittlerweile Carbon als Primärmaterial für die Massenproduktion von Pfeilen verwendet? Wäre die ursprüngliche Aussage dann überhaupt wahr?
Und, ebenso relevant, wieso haben wir überhaupt von Holz auf Carbon umgestellt?
Michael Foucault, ein postmodernistischer französischer Philosoph und sozialer Aktivist, bezeichnete Wahrheit als ein Konzept „dieser Welt“, das nur aufgrund diverser Formen von Einschränkungen hervorgebracht wird. Er stellte die zugegebenermaßen umstrittene Theorie auf, dass das Konzept der universellen Wahrheit lediglich eine Bedingung ist, die von einer neutralen und zerstreuenden Machtkraft geschaffen wird und daher nicht außerhalb von Machthabern existieren kann. Wahrheit ist laut Foucault „in einer zirkulären Beziehung mit Machtsystemen verbunden, die sie hervorbringen und aufrechterhalten, und mit Machtwirkungen, die sie induziert und die sie erweitern“, eine Vorstellung, die er mit dem Ausdruck „régime de verité“ ausdrückt. Direkter gesagt: „[Wahrheit] wird produziert und übermittelt unter der dominanten, wenn nicht ausschließlichen Kontrolle einiger weniger großer politischer und wirtschaftlicher Apparate“. Kurz: Macht diktiert Wahrheit. Sie bestimmt, wie und welche Informationen kommuniziert und wahrgenommen werden und letztendlich, welches Wissen als souverän regiert. Um es mit dem vorherigen Pfeildilemma zu vergleichen: Macht ist die Entität, die das eigentliche Mark des Pfeils webt, die Wahrheit, die sich in Phänomene verwandelnde Noumena. Die Korrelation würde dann andeuten, dass der Bogen, neutral und immer darauf wartend, benutzt zu werden, um irgendeine Wirkung auszuüben, der Entität der Information entspricht. Wissen, wie wir es wahrnehmen und besitzen, würde letztlich den Pfeil selbst veranschaulichen, die Summe aus Schaft und Spitze. Den Mörder.
Stellen Sie sich einen Pfeil vor. Stellen Sie sich ebenso einen Bogen vor. Wer ist nun der Bogenschütze? Und wer ist die Beute?
Um eine kurze Antwort zu geben: Der Umstieg von Holz auf Carbon wurde durch das Ereignis der Industrialisierung ermöglicht. Ausgehend von ihrer Genese im späten 18. Jahrhundert hat die allmähliche Metamorphose von landwirtschaftlichen zu industriellen Wirtschaftsstrukturen erfolgreich den Weg zu unseren modernen Politikmodellen und schließlich zu den Machtregulationssystemen der modernen Gesellschaft geebnet. Das vorherrschende System in diesem Sinne ist der allbekannte Neoliberalismus. Diese Ideologie, die wirtschaftliches Wachstum durch Wettbewerb und Kapitalisierung anstrebt, hat nicht nur den globalen Markt, sondern auch den Einzelnen, das Individuum, erfolgreich infiltriert, indem sie sich an einen ihrer ultimativen Beherrscher gewendet hat - die menschliche Psyche. Eines der einflussreichsten Ergebnisse des Neoliberalismus ist das äußerst dystopische Phänomen des World Wide Web, auch als Internet bezeichnet, und seine ebenso einflussreiche innere Membran, die sozialen Medien. Instagram, Facebook, Twitter – dies sind alle „sozialen“ Plattformen, die es der Menschheit ermöglicht haben, auf eine Unmenge von Informationen zuzugreifen und diese untereinander auszutauschen; doch es ist ihnen nicht gelungen, ein Ökosystem zu schaffen, in dem diese Informationen in Wissen umgewandelt werden können. Denn Information ist nicht gleich Wissen, sondern kann sich nur im Milieu einer rationalen Psyche, die einen Prozess logischer Interpretation durchläuft, in Wissen verwandeln. Das Internet manipuliert aber die menschliche Psyche, indem es ihr unendlich viele Informationen liefert, den Konsum dieser mit übertriebenen Reizen belohnt und gleichzeitig den Schritt der Assimilation auslässt, der sonst zu organischem Wissen führen würde. Internetnutzer erhalten Likes, retweeten lustige Memes, flirten mit Fremden auf Dating-Apps, konsumieren sekundenlange Inhalte, bauen parasoziale Beziehungen mit Fremden auf YouTube auf und streiten sich dann mit denselben Fremden auf Twitter. Internetnutzersüchtige googeln das Wetter, bleiben aber den ganzen Tag im Bett, sie photoshoppen ihre Bilder, bekommen aber eine Panikattacke, wenn sie die Bild posten wollen, sie diskutieren stundenlang auf Reddit-Foren über die Rolle von Ketchup, nur um dann am nächsten Tag zur Arbeit zu gehen und wegen sozialer Angststörungen kein einziges Wort zu sagen. Internetnutzersüchtigebeute wird innerhalb weniger Minuten wütend, gelangweilt, angewidert, betört, begeistert und depressiv, weil das Internet, laut seiner neoliberalen Natur, die menschliche Psyche kapitalisiert, indem es sie manipuliert, indem es ihr kurzfristige Befriedigung und die bloße Halluzination von Wissen zuführt.
Man kommt also zu dem Schluss, dass die Wahrheit von der Macht diktiert wird, und wenn die Macht sich auszudehnen sucht, geht sie zur Beschränkung über, indem sie die Illusion der unbegrenzten Wahrheit liefert. Es wird kein Widerstand installiert, es wird eine Art Echokammer gebaut, mit Tausenden von metaphorisch formbaren Spiegeln, damit sich der Narzissmus in jedem Individuum ausdehnen und fortpflanzen kann. Dass Pfeile aus Holz sind, kann man auf der einen Seite des digitalen Sumpfes ausführlich beweisen. Nur einen Klick entfernt kann man sich sicher davon überzeugen, dass Pfeile aus Carbon sind. Die daraus entstehende Debatte zwischen Individuen unterschiedlicher Perspektiven eskaliert in beängstigendem Tempo, denn die so wertvollen Echokammern drohen zerstört zu werden. Dies sind keine Spekulationen, sondern Beobachtungen der aktuellen Realität. Der rationale Diskurs wird somit durch die Inflation von Informationen und Affekterregung beeinträchtigt - eine Inflation, die proportional zu einer Deflation der zugeschriebenen Absorption ist. Mit anderen Worten, die exponentielle Verbreitung von Informationen und ihre mangelnde Regulierung haben umgekehrt eine stagnierende Fähigkeit zur Assimilation erzeugt.
"Der beste Weg, einen Gefangenen an der Flucht zu hindern, ist, dafür zu sorgen, dass er nie erfährt, dass er im Gefängnis ist."– F. Dostojewski
Schlussendlich übt das System Macht aus, indem es eine Nebenwährung schmiedet – unsere Aufmerksamkeit, die neue Krypto. Der Trost der „Illusion von Information“ wird gegen Daten, Identität und Zukunft eingetauscht. Denn - wenn man nichts zahlen muss, wird der Konsument zur Ware und nicht, wie er annehmen könnte, zum Warenhändler. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Konsument mit dem Individuum gleichzusetzen ist – das Individuum kann lediglich während des Konsumvorgangs die Rolle des Konsumenten übernehmen. Ebenso muss das Individuum die Verantwortung für diese Übernahme tragen, denn es besitzt Rationalität. Rationalität erweist sich als Bindeglied zwischen Wahrheit, Information und Wissen; es wird zum Schutzschild für die Person, die sich für den Konsum entscheidet oder sich in der allgegenwärtigen digitalen bzw. neoliberalen Welt entwaffnet wiederfindet. Rationalität ist daher für den Erhalt der Autonomie unerlässlich, kann jedoch nur im erforderlichen Prozess der Assimilation umgesetzt werden. Es muss also ein Ökosystem zeitlicher Natur geschaffen werden, in dem das Individuum seine momentane „Rolle“ als Konsument Süchtige Beute ablegen und die konsumierten Informationen verarbeiten kann. Man muss sich die Gnade erlauben, sich Zeit zu nehmen, zu hinterfragen, zu vergleichen, das Konsumierte ins Gleichgewicht zu bringen und logische Kongruenz darin zu finden. In diesem Sinne ist Rationalität gleichbedeutend mit Rebellion, mit der Herausforderung von Machtsystemen, mit der Herausforderung der Illusion von Wahrheit.
Man muss also rebellieren.
Man muss den verdammten Pfeil nehmen und ihn zerbrechen, um Himmels willen.