Mendy Swoboda: Das Paddeln ist endlich eine paralympische Disziplin, als sechsfacher Weltmeister zählt der Altenberger in Rio de Janeiro zu den Gold-Favoriten.
Von Roland Vielhaber aus Rio, 08. September 2016
Ich habe die Schrauben bei meinen Prothesen angezogen, jetzt knacksen die, das macht mich ein wenig nervös", sagt Mendy Swoboda mit einem Augenzwinkern. Aufregung ist in diesen Tagen aber beim 26-jährigen Chemie-Studenten sowieso im Spiel.
Der sechsfache Weltmeister fiebert der Premiere des Kanu-Sports bei den Paralympischen Spielen entgegen. Die OÖN trafen Swoboda in Rio zum Gespräch - und wurden dabei immer wieder unterbrochen. Von Sportbegeisterten, die ihn nach seinen Chancen befragten. Von Menschen, die ihn fotografieren wollten. Swoboda ist doppelt beinamputiert, nachdem er als Kind in die Förderschnecke einer Hackschnitzelheizung geraten war.
OÖN: Wie ist das Gefühl, wenn man jahrelang auf ein großes Ziel hingearbeitet hat und nun vor dem letzten Schritt steht?
Mendy Swoboda: Ja, endlich ist es so weit. Sechs lange Jahre hat es gedauert. Sechs Jahre, in denen ich hart gearbeitet habe. Und ich kann sagen: Ich bin ganz gut in Form für diesen Höhepunkt. Schauen wir einmal, was ich zusammenkriege. Mein zweiter Platz bei der WM im Mai hat mich motiviert, noch konzentrierter zu trainieren. Jetzt versuche ich, den Australier, der mich damals übertrumpft hat, wieder zu schlagen. Vom restlichen Feld weiß ich relativ wenig. Bei nur drei internationalen Rennen im Jahr, wovon eines die Paralympics sind, kann man die Konkurrenz schwer einschätzen. Was die EM und WM aber gezeigt haben, ist, dass der Australier und ich in einer anderen Liga fahren.
Wie viele Kilometer sind Sie heuer gepaddelt?
Sicher mehr als 2000. Das ist eigentlich wenig für einen Paddler, aber weil das Training intensiver und anstrengender wurde, sind die Einheiten auch kürzer geworden. Ich habe außerdem mein Idealgewicht von rund 64 Kilo erreicht, damit ich nicht so viel Gewicht mitschleppen muss. Laut Sportmediziner liegt mein Körperfettanteil bei sechs Prozent.
Wie viel Gewicht kommt durch die Prothesen dazu?
Ich würde sie auf acht Kilo schätzen.
Ihre Eindrücke von der Strecke?
Ich kenne sie vom Test-Event im Vorjahr, und ich habe sie mir bei den Olympischen Spielen daheim im Fernsehen angeschaut. Die Verhältnisse sind relativ fair. Das haben mir auch Ana Lehaci und Viktoria Schwarz (starteten bei den Sommerspielen) nach ihrem Rio-Einsatz bestätigt. Krank geworden sind die beiden nicht wegen schmutzigen Wassers, sondern wegen der Klimaanlagen, die extrem kalt eingestellt sind.
Wie schaut Ihr Programm in den kommenden Tagen aus?
Sie starten Mitte der zweiten Woche.
Ein Problem könnten die langen Transportwege sein. Weil die Infrastruktur wird nach den Sommerspielen nicht besser geworden sein. Wenn es ganz schlimm ist, nehmen wir uns vielleicht ein Hotel an der Strecke. Aber sonst haben wir gesagt, dass wir einmal am Tag paddeln gehen. Was ich von Yvonne Schuring (ebenfalls bei den Sommerspielen am Start) gehört habe, ist sie um halb acht vom olympischen Dorf aufgebrochen, aber erst um zwei Uhr nachmittags zurückgekommen. In der Zwischenzeit hat sie nur eine Stunde gepaddelt.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Auf das Danach. Meine Freundin, meine Mama - die ganze Familie ist da. Die wollen nach den Wettkämpfen Sightseeing machen. Das ist nicht mein Ding. Ich werde schauen, ob ich jemanden auftreibe, der mit mir surfen geht. Es ist ziemlich lässig, außerhalb von Rio wird es ja noch schöner, finde ich.
Ihr Bruder ist nicht in Rio. Er hatte bei einem Wasserski-Wettbewerb einen Unfall.
Matthias ist im Slalom auf die Bojen gefahren. Die Bindungen waren so fest, dass er sich beide Sprunggelenke abgerissen hat und das Kahnbein gebrochen hat. Aber es verheilt alles ganz gut. Acht Wochen Rollstuhl
Aber er lässt sich nicht drausbringen.
In Rio fehlen die Russen, das Paralympische Komitee hat sie ausgesperrt. Tragen Sie diese Entscheidung mit?
Im Para-Kanu habe ich nur gewusst, dass es einmal einen Ukrainer erwischt hat, dem haben sie die WM-Medaille aberkannt. Sonst kenne ich keinen Fall bei uns. Aber wenn man sich den Doping-Report über Russland angeschaut hat, dann hat der Ausschluss seine Berechtigung. Natürlich wird es auch Unschuldige treffen. Aber es muss der gesamte russische Sport etwas spüren. Und wenn du nur einzelne Sportler ausschließt und 90 Prozent der gedopten russischen Athleten kommen durch, dann ist das immer noch schlimm.
Ist Doping bei euch immer wieder ein Gesprächsthema?
Naja, es gab etwa bei den Nichtbehinderten in unserem Sport immer wieder überraschende Ergebnisse. Da denkt man sich schon, was haben die gemacht.
Wird in Rio alles funktionieren? Es fehlt am Geld ...
Der IPC-Präsident hat es mit seiner Aussage gut getroffen, nämlich dass es gilt, Hindernisse zu überwinden. Wir als Sportler werden jedenfalls alles zeigen, was in uns steckt. Da wird nicht viel gesudert. Außerdem bin ich ja einiges gewohnt. Am Anfang von Para-Kanu hat es auch einiges an Schwierigkeiten gegeben.
OÖNachrichten.at
8.September 2016
Markus Swoboda
Para-Kanute: Moderne Beine um 50.000 Euro
Para-Kanute Markus Swoboda zieht mit seinen Prothesen Blicke auf sich - mit feiner Elektronik ist er sehr mobil. "Krone"-Reporter Matthias Mödl berichtet von den Paralympics in Rio.
Bei einigen Gästen kamen Erinnerungen an die TV-Serie "Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann" hoch. Markus Mendy Swoboda zog mit seinen hochmodernen Prothesen die Blicke bei der Eröffnung des Österreich-Hauses für die Paralympics in Rio auf sich. Der sechsfache Kanu-Weltmeister kennt das: "Kinder sind immer sehr neugierig, manche Erwachsene schauen auch mal verlegen weg. Kinder sind mir lieber."
Kronenzeitung.at
8. September 2016
Bescheidener Kanute, große Chance
Markus Mendy Swoboda dominiert seine Klasse. Eine Medaille ist für den beidseitig beinamputierten Oberösterreicher das Ziel.
Nandor Almasi ist ein Meister im Tiefstapeln. Er will nicht zu viel Druck für seinen Schützling aufbauen. Sein Schützling heißt Markus Mendy Swoboda, 26 Jahre alt, Oberösterreicher aus Altenberg, Kanute. Von einer Medaille, gar von Gold bei den Paralympics, will der erfahrene Coach aus Ungarn nicht reden. Almasi sagt Sätze wie: "Es kommt auf die Tagesverfassung an" und "Die Gegner sind auch sehr gut".
Top-Favorit in der Klasse KL2
Die Papierform freilich sagt, dass Swoboda Topfavorit in der Klasse KL2 ist. Der 26-Jährige, der beidseitig beinamputiert ist, holte bei sechs von sieben Weltmeisterschaften Gold. In der Regel überlegen.
Ausgerechnet heuer, im Jahr der paralympischen Premiere für die Kanuten, musste er sich erstmals geschlagen geben. Im Mai belegte er in Duisburg Platz zwei hinter dem Australier Curt McGrath. Kein allzu großes Problem für Swoboda und Almasi. "Auf den letzten 50 Metern hat er die Konzentration verloren. Bis dahin war er überlegen", sagt der Trainer.
Folgenschwerer Unfall
Eigentlich wäre Swoboda gerne Wasserskifahrer geworden - wie sein Vater. Aber als Siebenjähriger geriet er in die Förderschnecke einer Hackschnitzelheizung. Beide Beine mussten amputiert werden. Swoboda: "Ich kann mich noch genau an den Unfall erinnern, das war unschön." Beim Sport landete er schließlich trotzdem. Im Jahr 2000, als Zehnjähriger, kam er zufällig zum Kanu. Als Wettkampfdisziplin für Behindertensportler gibt es Kanu erst seit 2009. Und seit ebenda dominiert Swoboda den Sport. Er zehrt von seinem Trainingsvorsprung. Aber die Konkurrenz schläft natürlich nicht, im Gegenteil, die Konkurrenz holt auf.
Optimale Vorzeichen
In Rio bestreitet der Chemie-Student am Mittwoch, seinen Vorlauf, Streckenlänge 200 Meter. Das Halbfinale steht kurz danach auf dem Programm. Am Donnerstag wird um die Medaillengepaddelt. Swoboda will natürlich dabei sein. Seine Vorbereitung ist optimal verlaufen. Almasi: "Trainingsmäßig ist er gut drauf, er hatte in dieser Saison keine Verletzungen, er hat gut gearbeitet, ist sehr diszipliniert, kraftmäßig gut drauf." Und sogar abgenommen habe Swoboda. Das hat ihm der Coach ans Herz gelegt.
Training in Ottensheim
16 bis 18 Stunden trainiert Swoboda in der Woche. Im Kraftraum und auf dem Wasser. In Ottensheim bei Linz hat er gute Trainingsbedingungen. Zweimal in der Woche ist Almasi, der seit sechs Jahren auch Österreichs nichtbehinderte Flachwasserkanuten coacht, vor Ort. Für die anderen Tage werden Trainingspläne übermittelt. Swoboda paddelt gelegentlich gemeinsam mit Yvonne Schuring, Ana Roxana Lehaci, Viktoria Schwarz und mit Dora Lucz. Die Ungarin wurde heuer zweifache U23-Weltmeisterin. Eine optimale Trainingspartnerin für Swoboda, weil sie, wie Almasi sagt, die gleiche Geschwindigkeit habe. "Einmal gewinnt sie, einmal er."
Äußere Bedingungen Nebensache
"Wenn ich die Dori herhau", sagt Swoboda, "dann kann ich nicht so schlecht sein." In Rio geht es nicht nur darum, die Konkurrenz "herzuhauen", auch um die Bedingungen. Das warme Wasser in der Lagoa de Freitas liegt Swoboda gut. Für Kanuten ist es am besten, wenn der Wind von vorn oder von hinten kommt. In Rio blies er schon bei den Olympischen Spielen gelegentlich von der Seite. Suboptimal. Andererseits, sagt Almasi, habe Swoboda gerne schlechte Bedingungen - weil die Konkurrenz damit nicht so gut zurechtkomme.
Vornehme Zurückhaltung
Was die Zielsetzung angeht, ist Swoboda genauso zurückhaltend wie sein Trainer. "Ich versuche, es bescheiden anzugehen, die Konkurrenz ist stärker geworden", sagt er. Wenngleich er natürlich eine Medaille erpaddeln will. "Das ist möglich." Almasi sagt nur so viel: "Er ist guat."
derstandard.at
Birgit Riezinger aus Rio, 14.9.2016