Acht Liebespaare
Immer schon haben Schriftsteller in ihren Werken Liebende aufeinander losgelassen, sich mit ihnen gefreut, sich über sie lustig gemacht, mit ihnen gelitten. Tragisch, komisch, skurril, absurd sind diese Begegnungen, unterhaltsam und lehrreich. Versucht man einen kleinen Querschnitt durch die Jahrhunderte, merkt man schnell, dass vieles konstant bleibt, ähnliche Worte gewechselt werden, ähnliche Phrasen. Aber doch auch sich einiges ändert. Die Männer verlieren etwas an Terrain, die Frauenfiguren werden stärker und selbstsicherer. Betrachtet man Liebesszenen aus verschiedenen Epochen, so wird schnell deutlich, dass diese auch immer ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse ihrer Zeit sind. Verschiebungen und Brüche in gültigen Wertvorstellungen werden im Theater der jeweiligen Zeit seismografisch vorweggenommen.
Die Theatergruppe des BORG hat sich für das diesjährige Theaterprojekt acht berühmte Liebespaare der Literatur gewählt und stellt diese in jeweils einer Szene vor.
Den Beginn macht die griechische Antike mit Aristophanes "Lysistrata". In diesem Stück verbrüdern sich die Frauen gegen die Krieg führenden Männer und kündigen ihnen ihre Liebe auf, so lange, bis diese den Krieg beenden. Myrrhine lässt Kinesias, ihren Ehemann, ganz schön zappeln.
In Goethes Faust begegnet dieser dem unschuldigen Gretchen mit den viel zitierten Worten "Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen
". Diese lässt den dreisten Faust aber ganz schön abblitzen. Vorerst
Georg Büchners "Leonce und Lena" sind ein seltsames Liebespaar. Königskinder, auf der Flucht voreinander, die sich dann zufällig treffen und ineinander verlieben. Büchner spielt mit den Versatzstücken romantischer Sprache und philosophischen Geistesblitzen.
Frank Wedekind schuf mit "Frühlings Erwachen" im späten 19. Jahrhundert ein Jugenddrama, in dem überkommene Moralvorstellungen den jungen Menschen das Leben schwer machen. Wendla und Melchior, die beide noch an den Storch glauben müssen, sind das unglückliche Liebespaar in diesem Stück.
In Arthur Schnitzlers "Reigen" versucht dieser ein moralisches Bild der Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu zeichnen, in dessen Mittelpunkt verschiedene Liebesverhältnisse stehen. In einer dieser Szenen klärt der junge Ehemann seine Gattin über die Vorzüge der Enthaltsamkeit auf. Und macht sich dabei selbst lächerlich.
Ödön von Horvath lässt in den "Geschichten aus dem Wiener Wald" die naive Marianne mit dem Fleischhauer Oskar zusammentreffen. Marianne, angewidert von der Grobschlächtigkeit ihres Versprochenen, lässt sich auf ein Abenteuer mit Alfred ein. Eine folgenreiche Entscheidung.
In "Magic Afternoon" von Wolfgang Bauer sind es Charly und Birgit, die nicht recht wissen, was sie miteinander anfangen sollen. Sie langweilen sich vor allem, legen eine Platte nach der anderen auf und ergehen sich in dummen Sprüchen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist der 60er Jahre.
Peter Turrinis "Rattenjagd" ist das letzte Stück in diesem Reigen. Die Personen heißen nur mehr ER und SIE. Von Romantik keine Spur. Turrini versucht die Künstlichkeit ihrer "Verkleidungen", falsche Haare, Kosmetikprodukte usw. aufs Korn zu nehmen. Was bleibt vom Menschen übrig, wenn alles Künstliche weg ist? Ein Thema, das heute aktueller ist, denn je.
Die Inszenierung der Szenen versucht setzt auf Unterhaltung und Kurzweil, ohne platt sein zu wollen. Visuelle und musikalische Elemente ergänzen das reine Spiel zu einem sinnlich wirkenden Gesamteindruck.
Seit September arbeiten die 22 SchauspielerInnen aus verschiedenen Klassen an den Szenen. Texte lernen, sie intonieren, die Szene interpretieren, Bewegungsabläufe einprägen, kurz, in eine Figur hineinschlüpfen, das sind die schwierigen Aufgaben, die ein Schauspieler/eine Schauspielerin leisten muss. Darüber hinaus ist die Theaterarbeit nur als Teamarbeit erfolgreich. Man lernt dabei, dass man anderen vertrauen muss und dass man selbst Verantwortung übernimmt. Auf der Bühne braucht man die Sicherheit, dass einen der Partner im Notfall auffängt. Im Idealfall lernt man, wenn man sich mit einer Rolle beschäftigt, neue Aspekte an sich selbst kennen, bekommt einen anderen Blick auf sich und kann sie so weiterentwickeln. Theaterspielen ist also ein komplexes Lerngeschehen, das entwicklungspsychologisch bedeutend ist. Natürlich ist der Spaß am Spielen nicht zu vergessen. Das Herumprobieren, mit anderen spielen, das Austesten der eigenen Grenzen, das sind lustvolle Momente.